I, 10
Das schlimmste, was ein Staatsgründer tun kann, ist eine Diktatur zu erschaffen. Ein Staat verkommt fast immer zur Diktatur, wenn die Königswürde erblich ist. Machiavelli macht hier viele Worte, aber ich komm nicht richtig dahinter, was denn nun die Aussage ist. Außer der moralischen Verwerflichkeit scheinen mir wenig Argumente gegen Diktatur zu kommen. Gut, die ganzen Feinde und Neider. Und das erhöhte Risiko, von diesen umgebracht zu werden. Aber wozu ist man bitte Diktator, wenn man mit denen nicht fertig wird? Es kommt mir vor, wie ein Apell, mit dem er die in 9 aufgestellte These des guten Gewaltherrschers relativieren und entschärfen will mit eindringlicher Warnung vor Diktatur. Bemerkenswert ist die negative Beurteilung Julius Cäsars als Putschisten und Zerstörer der Republik.
I, 11 zur Religion der Römer
Die Religion ist die unentbehrlichste Stütze der Zivilisation. Denn mit der Religion kann man ein ungebändigtes Volk mit friedlichen Mitteln zu bürgerlichem Gehorsam erziehen. Numa Pompilius, der Nachfolger des Romulus, befestigte die Gottesfurcht im römischen Volk. Ein religiöser Eid war den Menschen wichtiger, als die Strafgesetze. Die Beispiele, die Machiavelli aus der römischen Geschichte anführt, sind freilich gewaltsam erzwungene Eide.
Die Religion hält das Volk in Eintracht und die Heere gehorsam. Mit der Begründung durch das göttliche lassen sich neue, nützliche Gesetzgebungen einführen. Das geht natürlich besser bei einer primitiven, ungebildeten Bevölkerung. Moderne Stadtbevölkerung ist für diese Art der Überredungskunst meist verdorben. Gegenbeispiel ist der Erfolg des Predigers Savonarola im säkularisierten Florenz.
I, 12 Wie die römische Kirche die Religion verkommen ließ, zum Schaden Italiens
Wenn die Machthaber aber die Religion zu ihren Zwecken mißbrauchen, verliert das Volk die Gottesfurcht und die Religion hört auf, staatstragende Stütze zu sein.
Kluge Herrscher fördern den Aberglauben und halten das Volk gefügig. Wenn die Mächtigen sich über die Moral erheben, verfallen Religion und Staat. Wenn die Oberschicht sich nicht mehr an Moral und Gesetz hält, wird das Volk mit Recht feindselig. Die Sittenlosigkeit der Kirchenfürsten hat das Ansehen der Religion in der Schmutz gezogen. Das unpatriotische Taktieren des Vatikans als weltliches Fürstentum schließlich hat das geschwächte Italien endgültig ruiniert und zum Spielball ausländischer Mächte gemacht.